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Wilhelminenstraße

Eintrag zur Wilhelminenstraße im Kieler Straßenlexikon von Hans - G. Hilscher (wörtlich übernommen):

 

Wilhelminenstraße (Damperhof)

Vor 1853

Kuckucksredder (ein Heckenweg)

1853 

Straße ist ohne Namen im Stadtplan von Thalbitzer eingezeichent

1869 

Wilhelminenstraße

Name durch das Städt. Koll. festgelegt

StC.0406.1869/16(StA. II/ 9)

1892 

Für die Auslegung der Wilheminen Straße bis zur Fährstraße werden 15200 M. bewilligt.

StC.26.08.1892/7(StA. 7004. 2)

Brunswiker Straße - Knooper Weg

Nach der Prinzessin Wilhelmine, Tochter König Friedrichs VI, Gemahlin des Herzogs Karl von Glücksburg, nach dem die Karlstraße benannt war.

Die Wilhelminenstraße bekam 1869 ihren Namen und ist nach Wilhelmine Marie von Dänemark benannt. Sie war Prinzessin von Dänemark und Herzogin von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg. Sie lebte von 1808 - 1891, davon auch einige Jahre in Kiel, wo sie auch geboren wurde. 

 

Sie war zweimal verheiratet, was sich auch auf die Beziehungen innerhalb ihrer Familien und der Linien des dänischen Königshauses auswirkte. Nachdem ihre erste Ehe zunächst das Verhältnis innerhalb des dänischen Königshauses verbesserte, führte ihre zweite Ehe zwischenzeitlich dazu, dass Wilhelmine keinen Kontakt mehr zur dänischen Familie hatte. Der Grund war, dass ihr zweiter Ehemann, ihr jüngerer Cousin Herzog Karl von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg, im Dreijahreskrieg von 1848 bis 1851 auf Seiten Schleswig-Holsteins gegen Dänemark kämpfte. Nach dem Krieg glätteten sich die Wogen jedoch und die Familie fand wieder zusammen. 1864 wurde das Herzogtum Glücksburg preußisch, weshalb Wilhelmine und ihr Mann ihre Titel verloren, jedoch konnten sie weiter auf Schloss Glücksburg wohnen. Dort verstarb Wilhelmine mit 83 Jahren.

Wilhelmine lebte im Alter sehr isoliert, da sie durch einen Hörverlust Schwierigkeiten hatte, sich zu verständigen. Dennoch war sie in Glücksburg beliebt, da sie viel Zeit für wohltätige Zwecke aufbrachte. 

 

In einem Bericht wird sie als gutherzig und milde beschrieben, aber auch als charakterlos und ihr wird die Schuld für die Trennung ihrer ersten Ehe gegeben, da sie nicht in der Lage gewesen sein soll, den ausschweifenden Lebensstil und den hohen Alkoholkonsum ihres damaligen Ehemanns Prinz Frederik eindämmen zu können. 

Wilhelmine blieb kinderlos. Als Grund dafür wird ihrerseits Unfruchtbarkeit vermutet, da es keine Aufzeichnungen über Fehlgeburten oder Totgeburten gäbe. 

Diese Anschuldigen und Vermutungen werfen die Frage auf, warum ihr die Schuld an der Trennung ihrer ersten Ehe gegeben wird und Prinz Frederik jede Eigenverantwortung abgesprochen wird. Auch stellt sich die Frage, weshalb nur die Unfruchtbarkeit der Frau in Anbetracht gezogen wird, aber nicht die des Mannes. Die nachfolgenden Ehen ihres ersten Mannes Prinz Frederik blieben ebenso kinderlos. Es zwingt sich daher die Frage auf, ob nicht vielleicht beide Männer Wilhelmines unfruchtbar waren.

 

Die Wilhelminenstraße bekam ihren Namen 1869, gerade einmal 9 Jahre, nachdem Straßenschilder in Kiel eingeführt wurden. Die Benennung reiht sich ein in die Epoche der dynastischen Benennungsmotive. Zumindest lässt sich dieser Trend bei den Straßen, die nach Männern benannt sind, so bezeichnen. Bei den nach Frauen benannten Straßen, die in dieser Zeit entstanden sind, sind die Motive der Benennung nicht zwangsläufig darauf zurückzuführen, dass die Frau Mitglied der Herrschaftsfamilie war oder sogar selber Herrscherin, sondern, dass sie Angehörige einer Person der Herrschaftsfamilie war. 

 

17 Straßen in Kiel, die nach Frauen benannt sind, lassen sich der Kategorie „Adel / Verwandtschaft“ zuordnen. Davon sind lediglich vier Namen von Frauen, denen tatsächlich eine „Herrscherinnen-Position“ zugeschrieben wird: Prinzessin Wilhelmine Marie von Dänemark, Königin Luise von Preußen (nach der der Luisenweg benannt ist), Prinzessin Auguste Viktoria Friederike von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg (Namenspatronin der Auguste-Viktoria-Straße) und Prinzessin Adelheid zu Hohenlohe-Langenburg (nach der die Adelheidstraße benannt ist). 

Werden diese Frauen im Eintrag des Kieler Straßenlexikons zwar mit dem Titel „Prinzessin“ oder „Königin“ beschrieben, so folgt doch immer unmittelbar der Hinweis auf ihre männlichen Verwandten, die Könige oder Herzöge waren. Die einzige Ausnahme ist Adelheid zu Hohenlohe-Langenburg, die als Mutter von Auguste Viktoria beschrieben wird. Bei Auguste Viktoria ist der Hinweis auf ihren Ehemann besonders deutlich. Ihre Position als Kaiserin und Königin wird im Kieler Straßenlesikon sprachlich so formuliert, dass diese Position nur in Abhängigkeit von ihrem Mann existiert: 

 

„[…]die als Gemahlin Wilhelms II. von 1888 - 1918 letzte Deutsche Kaiserin und Königin von Preußen war“. An diesem Beispiel wird besonders deutlich, dass Frauen in dieser Zeit (und zuweilen auch noch heute) oftmals nur als Teil des Mannes gesehen wurden, nicht aber als eigenständige Person mit eigenen Bedürfnissen, Interessen und Fähigkeiten. 

 

Die übrigen 13 Namen sind nach Frauen benannt, die (Schwieger)Mütter, Ehefrauen, Schwägerinnen oder Töchter von Männern waren. Allein fünf Straßen gehen auf den Ziegeleibesitzer Bleßmann zurück, der scheinbar jeder Frau in seiner Familie eine Straße widmete. Der Grund wird hier aber vermutlich nicht sein, dass er damit seinen Verwandten für ihre Aufopferungsbereitschaft, ihr soziales Engagement oder ihren Leistungen dankt, sondern darin liegen, dass sie schlicht mit ihm verwandt waren und er ihnen gütig eine Straße schenkte.


Rita Bake, Sozialhistorikerin, ist eine der wenigen Personen, die sich bisher intensiv mit der Ungleichheit bei Straßenbenennungen beschäftigt hat. Für Hamburg hat sie die Straßen, die nach Personen benannt sind, verglichen und analysiert. Dabei zeigt sich, dass es in Hamburg erst nach dem Ende des zweiten Weltkriegs einen Wechsel in den Benennungsmotiven bei den Frauen gab: Bis 1945 wurden die meisten neuen Straßen nach Frauen benannt, die Angehörige von Grundstückseigentümern waren, wie sich am Beispiel des Ziegeleibesitzers Bleßmann auch in Kiel zeigt. Gab es nach der dynastischen Epoche bei den Männern einen militaristischen Trend und eine Hinwendung bei der Benennung von Straßen zu Komponisten, Dichtern und Künstler, gibt es seit 1974 in Hamburg tatsächlich sowohl bei Männern als auch bei Frauen gleichermaßen die Tendenz, Straßen nach Widerstandskämpfer*innen gegen den Nationalsozialismus zu benennen.

Wilhelmine ist eine von 47 Frauen, nach denen in Kiel eine Straße benannt wurde. Zum Vergleich: 391 Straßen sind nach Männern benannt. Es sind also nur 11% der Personenstraßen in Kiel nach Frauen benannt. Die Kategorie mit den meisten Frauennamen ist die hier erläuterte Kategorie „Adel und Verwandtschaft“ mit 17 Straßen. Die Anzahl an Männern in dieser Kategorie ist verhältnismäßig gering mit gerade einmal zehn Straßen. Wobei zu erwähnen ist, dass bei den Männern in den meisten Fällen nicht der Verwandtschaftsgrad gemeint ist, sondern deren adeliger Stand. 

 

In dieser Kategorie überwiegen tatsächlich die Frauen. Ein schwacher Trost, denn diese Kategorie verweist nicht auf die Leistung oder das Engagement der Frauen, sondern lediglich auf deren Verwandtschaft mit oder Abhängigkeit von einem adeligen, besitzenden oder bedeutenden Mann.

 

 

 

*Mit Mitglied ist hier gemeint, dass die Frau aktiver Teil der adeligen Familie war, und damit auch ein Mitspracherecht hatte. Mit der Bezeichnung "Angehörige" ist hier das Gegenteil gemeint, dass die Frau nur eine passive Rolle im Haus oder zu Repräsentationszwecken einnahm.

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