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Schillstraße

Eintrag zur Schillstraße im Kieler Straßenlexikon von Hans - G. Hilscher (wörtlich übernommen): 

 

Schillstraße (Ravensberg)

1906 

Name durch städt. Koll. festgelegt

StC.04.09.1906/ 6(StA.7004. 3)

von der Hardenbergstraße an 

Major Ferdinand Bapt. von Schill (06.1.1776 - 31.5.1809), preußischer Offizier, Freikorpsführer im Kampf gegen Napoleon, gefallen bei der Verteidigung Stralsunds

 

Die Schillstraße ist eigentlich nach Ferdinand von Schill benannt und reiht sich in die unzähligen Militärsstraßen im Stadtteil Ravensberg und rund um den Blücherplatz (so genanntes Admiralsviertel) ein. Auf dem Straßenschild steht jedoch nur „Schillstraße“. Geht eine Person an dieser Straße vorbei oder durch sie hindurch, ist also nicht ersichtlich, nach wem diese Straße benannt wurde. Viele Menschen interessieren sich auch nicht dafür, wer der Namenspatron ist und hinterfragen ihn daher nicht.

Anstelle des Offiziers Ferdinand von Schill, könnte die Straße also auch nach der Widerstandskämpferin Hilda Schill benannt sein. Es würde wahrscheinlich gar nicht auffallen oder vermutlich auch niemanden stören, da es niemanden mehr gibt, der oder die von Schill persönlich kannten. 

Hilda Schill, geb. Pfeiffer,  ist nicht mit Ferdinand von Schill verwandt, sie lebte rund 100 Jahre nach ihm. Ihr Geburts- und Sterbedatum ist leider nicht bekannt, es ist aber davon auszugehen, dass sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts geboren wurde. Hilda Schill war Mitglied der KPD, besuchte Abendkurse über Marxmismus an der Uni Hamburg und beteiligte sich an der Verteilung von kommunistischen Broschüren und Flugblättern, indem sie diese, in einem doppelten Boden versteckt, im Kinderwagen aus dem Erzgebirge nach Hamburg schmuggelte. Hildes Mutter besaß einen Stickereibetrieb, der ihr und ihrem Mann, Kurt Schill (✝︎ 1945 KZ Neuengamme) den Lebensunterhalt sicherte und durch die Lautstärke verhinderte, dass ihre Vervielfältigungsmaschine, mit der das Ehepaar Schill Flugblätter herstellten, zu hören war. Lange Zeit blieb Hilde daher unbehelligt, wurde jedoch beschattet und nach einem Treffen mit Änne Bohne (ebenfalls Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus) 1944 festgenommen und ins Polizeigefängnis gebracht. Dort war sie ein Jahr, bevor sie auf Grund des Kriegsendes entlassen wurde, noch bevor es zu einer offiziellen Verurteilung kam. 

Diese Informationen stammen aus dem Stolperstein-Eintrag über Kurt Schill. Weder online noch analog ließen sich Berichte über Hilda Schill finden, die Informationen sind immer nur Teil von Dokumenten über ihren Ehemann. Hier zeigt sich daher wieder das gängige Problem, dass Frauen im Schatten ihrer Männer stehen und ihren Wert nur in der Abhängigkeit zu ihrem männlichen Angehörigen bemessen wird.

Die Straßenbenennungsrichtlinien geben vor, dass Straßennamen eindeutig sein sollen. Bei Personen muss also eindeutig klar sein, um welche Person es sich handelt. Wie sich gezeigt hat, ist das bei der Schillstraße nicht der Fall. Ein kleiner Hinweis auf die benachbarte Kleiststraße sei hier auch erwähnt. Es handelt sich bei dieser Straße nämlich nicht um eine Widmund des Schriftstellers Heinrich von Kleist, sondern um den preußischen General Friedrich Emil Ferdinand Heinrich Graf Kleist von Nollendorf. Diese Benennung ist durchaus verwirrend, denn wer vermag sich schon an Graf Kleist von Nollendorf (1772-1823) erinnern? Heinrich von Kleist ist aber den meisten Menschen wohl bekannt. Diese Benennung ergibt an diesem Ort jedoch Sinn, reiht sie sich doch thematisch in das Admiralsviertel ein.

Um solche Doppeldeutungen zu verhindern, gibt es die Regelung, dass Straßen, die nach Frauen benannt werden, sowohl den Vor- als auch den Nachnamen enthalten müssen. Diese Regelung kollidiert leider meist mit dem Grundsatz der kurzen Straßennamen, sind aber auch bei verwandten Männern (bspw. Vater und Sohn) üblich. 

Rita Bake hat sich in Hamburg dafür eingesetzt, dass jene Straßen, die nach Männern benannt sind und nur den Nachnamen tragen, um die verwandte Frau mit dem gleichen Namen (Ehefrau, Mutter, Tochter usw.) ergänzt werden. 2001 hat der Hamburger Senat Bakes Vorschlag angenommen und bisher (Stand: 2021) 14 Straßen um die Frauen ergänzt. Für die Kieler Straßen wäre dies also auch denkbar. Bei der Schillstraße handelt es sich nicht um einen Verwandtschaftsgrad, dennoch ließe sich das Straßenschild um einen Hinweis auf Hilda Schill erweitern. Auch das Straßenlexikon ließe sich ergänzen:

 

Schillstraße (Ravensberg)

1906 

Name durch städt. Koll. festgelegt

StC.04.09.1906/ 6(StA.    7004. 3)

von der Hardenbergstraße an 

Major Ferdinand Bapt. von Schill (06.1.1776 - 31.5.1809), preußischer Offizier, Freikorpsführer im Kampf gegen Napoleon, gefallen bei der Verteidigung Stralsunds.

von der Hardenbergstraße an 

2022

Ergänzung durch Ratsversammlung festgelegt

StC.11.02.2022/ 6(StA.    7004. 3)

Hilde Schill (geb. Pfeiffer), Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus

 

Neben der Schillstraße, ließe sich auch bei folgenden Straßen eine Erweiterung vornehmen:

 

Klopstockstraße:

Meta Klopstock (Ehefrau, geb. Moller), Schriftstellerin

Schumannweg:

Clara Schumann (Ehefrau, geb. Wieck), Pianistin und Komponistin

Herderstraße:

Maria Karoline Herder (Ehefrau, geb. Flachsland), Lektorin und Herausgeberin der Herder-Werke

Benzstraße:

Bertha Benz (Ehefrau, geb. Ringer), Pionierin des Automobils

Burmesterweg:

Johanna Burmester (Schwester), Pianistin

Fröbelstraße:

Ehefrau Luise (Ehefrau, geb. Levin), Gründerin und Leiterin einiger Kindergärten und Initiatorin des Volkskindergartens

Einsteinstraße:

Mileva Einstein (erste Ehefrau, geb. Marić), Mitentwicklerin der Relativitätstheorie

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