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Alexandraplatz

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Eintrag zum Alexandraplatz im Kieler Straßenlexikon von Hans - G. Hilscher (wörtlich übernommen):

 

Alexandraplatz (Ravensberg)

2009 

Name in der Ratsversammlung festgelegt

RaV 14.5.2009 (Sba. XXX III)

Platz im Einmündungsbereich der Franckestraße in die Olshausenstraße, östlich begrenzt durch den Knooper Weg

Alexandra, bürgerl. Doris Treitz (19.05.1942-31.07.1969) Sängerin („Mein Freund der Baum“, „Zigeunerjunge“), lebte von 1946-1961 in Kiel, u.a. im Knooper Weg 163.

Die deutsche Schlager- und Chansonsängerin Alexandra, die mit bürgerlichem Namen Doris Treitz hieß, hatte nur ein kurzes Leben. Von ihren 27 Lebensjahren lebte sie fast die Hälfte in Kiel, unter anderem im Knooper Weg, zwei Häuser neben dem heutigen Alexandraplatz. Mit 4 Jahren floh sie damals mit ihren Eltern aus Ostpreußen in den Westen Deutschlands. Sie ging in Kiel zur Schule, bricht diese vorm Abi ab, da für sie nur ein künstlerischer Beruf in Frage kommt. Sie besucht daher für kurze Zeit eine Grafikschule und macht 1964 eine Schauspielausbildung bei Margot Höpfner in Hamburg. Ihre Leidenschaft liegt jedoch in der Musik und so zieht sie mit ihrer Gitarre durch Hamburger Clubs und Kneipen. Über einen Job im damaligen Alfons Semrau Verlag lernt sie Fred Weyrich kennen und produziert mit ihm ihre erste Single „Zigeunerjunge“, die 1967 veröffentlicht wird. Ist die Bezeichnung „Zigeunerjunge“ politisch durchaus zu kritisieren, ist jedoch auch zu erwähnen, dass Alexandra ihrer Zeit voraus war. Sie hat viele Lieder selbst geschrieben und komponiert, was im Schlager sehr ungewöhnlich war, da die Lieder meist nicht von den Sänger*innen geschrieben wurden. Besonders die Sängerinnen sangen Lieder, die von anderen geschrieben wurden. Dass sie sich für mehr künstlerische Selbstbestimmung einsetzte, stieß ihren männlichen Kollegen bitter auf, da es das Einkommen von Komponisten und Produzenten bedrohte. Alexandra aber wusste, was sie will und wird als „selbstbestimmte Künstlerin mit scharfer Urteilsfähigkeit“ beschrieben. Sie gilt als moderne Frau, aufgewachsen in der Zeit, in der es durch die Entwicklung der Pille auch mehr körperliche Selbstbestimmung für Frauen gab. Sie war eine sexuell aufgeschlossene Frau, hatte mehrer Affären, machte daraus aber keinen Hehl, setzte ihre Attraktivität sehr bewusst ein und hat abgetrieben. Ihr starker Wille und ihre Durchsetzungskraft interpretierten viele Männer als „zickig“. Ein Phänomen, dass sich auch heute noch in vielen Bereichen erkennen lässt. 

Der Alexandraplatz lässt sich in den Bereich der Kultur der Kieler Straßenbezeichnungen einordnen, zu dem auch der Rosemarie-Kilian-Park gehört. Insgesamt lassen sich 5 Straßen, die nach Frauen benannt sind, dieser Kategorie zuordnen. Bei den Männern gibt es 85 Straßen, die einen kulturellen Bezug haben. Das bedeutet, dass es mehr Straßen gibt, die nach Männern aus dem Kulturbereich benannt sind, als insgesamt Straßen, die nach Frauen benannt sind (47). Dieses Ungleichgewicht zeigt sich auch in den Kategorien Militär/Marine (45/0 Straßen), Wissenschaft (75/9) und Politik/Regionalbezug (65/2). 

Neben der Kategorie Militär, gibt es u.a. in der Kategorie, Pioniere/Entdeckungen/Sport keine einzige Straße, die nach einer Frau benannt wurde. Dabei gibt es einige Frauen, die in diesen Kategorien Erwähnung finden sollten. Zum Beispiel Amelia Earhart, die als erste Frau über den Atlantik flog. Bertha von Suttner, die sich als Kriegsreporterin für den Frieden und die Ehrung von Friedensaktivist*innen einsetzte. Gerda Taro, die erste Frau, die an der Front im spanischen Bürgerkrieg fotografierte. Oder Käthe Paulus, die Erfinderin des faltbaren Fallschirms und erste deutsche Berufsluftschifferin. 

 

Bei der Annenstraße wurde bereits die Zugänglichkeit zu Berufen erläutert und auch das Beispiel einer musischen Ausbildung zum Zweck der bloßen Zeitüberbrückung und Repräsentation des Mannes genannt. Doris Treitz lebte allerdings vor gar nicht so langer Zeit in einer moderneren Gesellschaft. Aber auch sie hatte mit stereotypischen Geschlechterzuschreibungen zu kämpfen, wie der Hinweis auf das Attribut „zickig“ zeigt. Das Beispiel Alexandra zeigt aber zusätzlich die Reaktionen, wenn Frauen es trotz aller Hürden zu Erfolgen schaffen: Männer reagieren mit Neid und dem Herunterspielen der Leistung. Auch Rita Bake spricht diesen Punkt in ihrer bereits zitierten Publikation an und erklärt das Phänomen, dass die Leistungen von Frauen als minderwertig gesehen werden. Dass die Leistungen von Männern mehr wert seien als die der Frauen ist zunächst natürlich unlogisch, es führt aber dazu, dass es weniger Frauen gibt, die sich bestimmte Tätigkeiten zutrauen und wir auch von weniger Frauen wissen, die Inspirierendes geleistet haben, da diese Leistungen verschwiegen oder heruntergeredet werden. So zeigen auch die Straßenbezeichnungen dieses Bild, indem sie weniger Frauen gewidmet sind, da diese scheinbar weniger vollbracht haben sollen als Männer. 

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